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Warum die Wahlkampflogik Systemisches Konsensieren in der Politik erschwert

Politische Entscheidungsprozesse folgen unterschiedlichen Logiken – je nachdem, ob sie auf Wettbewerb oder Kooperation ausgerichtet sind. Wahlkampf und Systemisches Konsensieren stehen dabei geradezu diametral gegenüber.

Während der Wahlkampf Konfrontation und Konkurrenz fördert, setzt SK auf Kooperation und Konsens. Wo der Wahlkampf auf klare Gewinner und Verlierer abzielt, sucht SK nach Lösungen mit möglichst breiter Akzeptanz. Deshalb verträgt sich Systemisches Konsensieren nicht gut mit Wahlkampf – denn die Mechanismen, die im Wahlkampf Erfolg versprechen, würden innerhalb eines SK-Prozesses nur Widerstand und Ablehnung erzeugen. Andersherum betrachtet bedeutet dies, dass politische Verhandlungsprozesse, die auf Systemisches Konsensieren setzen, schwierig sind, solange das vorrangige Ziel der Beteiligten darin besteht, sich für die nächste Wahl vorteilhaft zu positionieren.

Mir ist wichtig zu betonen, dass ich nicht den Politiker:innen in erster Linie die Verantwortung für diese Herausforderungen zuschieben möchte. Vielmehr ist es das Mehrheitswahlrecht als System, das Verhaltensmuster prägt und Anreizstrukturen schafft, die oft wenig Raum für echte Kooperation lassen. Systeme beeinflussen Menschen weit stärker, als wir es uns manchmal eingestehen wollen. Es geht also weniger um persönliche Motive als vielmehr um die strukturellen Rahmenbedingungen, die das politische Handeln formen.

Solange der politische Erfolg davon abhängt, sich von anderen abzugrenzen und als klare Alternative wahrgenommen zu werden, bleibt echte Kooperation – auch mit den politisch näher Gesinnten – typischerweise zweitrangig. In einem Umfeld, in dem besser dazustehen als die Konkurrenz wichtiger ist als gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden, fehlt die Grundlage für das konsensorientierte Arbeiten.

Und auch wenn zwischen den klassischen Wahlkampfperioden vier Jahre liegen, bleibt wenig Raum für eine echte Kultur der gemeinsamen Willensbildung. Denn sind wir ehrlich: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Es gibt kaum einen Moment, in dem nicht bereits die nächste Abstimmung mitgedacht wird. Erst wenn politischer Erfolg nicht mehr nur am Sieg über andere gemessen wird, könnte SK in der Politik eine ernsthafte Alternative sein.

Die Welt wieder auf die Füße stellen: Wie würde das Gemeinwohl profitieren, wenn nicht der Konsens an den Mechanismen des Wahlkampfs scheitern würde – sondern der Wahlkampf an einer Kultur des Konsensierens?

Wo Systemisches Konsensieren auch in der Politik bereits sinnvoll eingesetzt werden kann Auch wenn Systemisches Konsensieren im Wirkfeld des politischen Wahlkampfes schwer einsetzbar ist, heißt dies nicht, dass es unmöglich ist. Die Bürgerbeteiligung im österreichischen Munderfing ist ein Mut machendes Beispiel dafür, dass das Interesse an guter, bürger:innennaher Politik wichtiger als Parteiprofilierung war. Außerdem gibt es innerhalb von Parteien durchaus sinnvolle und leichter zugängliche Anwendungsbereiche. Innerparteilich steht in den meisten Fällen die gemeinsame Stärke und Arbeitsfähigkeit im Vordergrund – oft stärker als Einzelinteressen oder interne Machtkämpfe.

Mögliche Einsatzbereiche sind:

Entwicklung von Positionspapieren und Parteiprogrammen: Nachdem sie inhaltlich auf breite Zustimmung stoßen, könnte nun sogar die oft notwendige Priorisierung großen Rückhalt finden.

Erarbeitung politischer Anträge und Initiativen: Die Mitglieder hätten eine einfache und transparente Struktur um Vorschläge so zu gestalten, dass sie innerhalb der Partei ungezwungen große Unterstützung haben.

Reaktion auf Anträge anderer Parteien: Aus den vielen Reaktionsmöglichkeiten kann schnell die eine gemeinsame Haltung herauskristallisiert werden, die von der Partei geschlossen getragen wird. Auch die Punkte, wo es keine geschlossene Haltung gibt, können schnell sondiert werden, was Zeit lässt, einen gemeinsamen Umgang mit diesen Punkten zu finden.

Koalitionsverhandlungen und Bündnisentscheidungen: Auch hier, bei zeitsensiblen Entscheidungen, könnten die Beauftragten die möglichen strategischen Optionen ausloten, die sie an den Verhandlungstisch bringen.

Strategische Ausrichtung und Wahlkampfschwerpunkte: SK eignet sich ganz hervorragend, um Oberthemen festzulegen, die von allen mitgetragen werden.

Kandidat:innen-Aufstellung und Listenplatzvergabe: Besonders spannend ist die Anwendung von SK in der Kandidat:innen-Aufstellung, da hier oft klassische Machtkämpfe dominieren. Würde sich eine Partei darauf einlassen, könnte sie vermeiden, dass innerparteiliche Grabenkämpfe die Einheit schwächen. Zudem hätten sie eine bessere Repräsentanz dessen, was die Mitglieder wollen.

Während SK also im öffentlichen politischen Wettbewerb an seine Grenzen stößt, könnte es innerparteilich zu einer Kultur beitragen, die nicht nur die Einheit stärkt, sondern auch zu besseren, tragfähigeren Entscheidungen führt.


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Adela Mahling
Adela H. Mahling Adela H. MahlingGeschäftsführerin KonsenslotsenModeratorin und Ausbilderin für Systemisches KonsensierenTrainerin für Gewaltfreie Kommunikation Download Trainerinnenprofil Adela H. Mahling (PDF) Meine Stärke ist es, dass ich andere in ihre Stärke bringen kann. Empowerment heißt das. Und