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Erfolgsgeschichten – #5: Re-Organisation einer Kirchengemeinde

Eigenlob stinkt zwar nicht, aber dennoch ist es schöner, wenn andere den Erfolg unserer Arbeit beschreiben. Unter dem Thema Erfolgsgeschichten finden sich Berichte von ehemaligen Teilnehmenden oder Auftraggebenden. Diese Erfolgsgeschichte erreichte uns von Simon Plenter, Pastor in der evangelischen Kirchengemeinde Nordhorn.

Systemisches Konsensieren in Strukturprozessen in Kirchengemeinden Strukturprozesse in Kirchengemeinden erfordern viel Sensibilität. Verlustängste können aufkommen, unvereinbare Interessen aufeinanderstoßen, Spaltungen vertieft werden. Daher benötigt es Fingerspitzengefühl von Seiten der Gemeindeleitung. So viel war uns klar, als wir uns an die Arbeit gemacht haben, die Struktur unserer Kirchengemeinde neu zu denken. Unsere große Gemeinde ist seit Jahrzehnten in sechs Pfarrbezirke unterteilt, die jeweils eine eigene Pfarrstelle haben und in vielen Bereichen selbstständig arbeiten. Wir wussten schon lange, dass die Stelle eines Pfarrers, der nun in den Ruhestand geht, nur zur Hälfte wiederbesetzt werden kann. Die alte Struktur konnte also nicht ohne weiteres aufrechterhalten werden. Stattdessen mussten wir die Struktur und die Arbeitsverteilung der Pastorinnen in unserer Gemeinde grundlegend neu denken.

Veränderung produktiv im Prozess aufgreifen
Die zu erwartenden Widerstände gegen die Veränderung wollten wir produktiv im
Prozess aufgreifen und zu einer in der Gemeinde möglichst breit akzeptierten Lösung
kommen. Wir haben uns entschieden, diesen Prozess mit Hilfe des SK-Prinzips zu planen
und zu gestalten.


Ein wichtiger Faktor, um viele Interessengruppen in der Gemeinde einzubeziehen war,
ausreichend Zeit einzuplanen. Mehr als ein Jahr vor dem bevorstehenden Ruhestand des
Kollegen hat der durch den Kirchenrat eigens gebildete Strukturausschuss seine Arbeit
aufgenommen. Diesem Ausschuss gehörten Pastorinnen und Kirchenälteste verschiedener Pfarrbezirke an. Die erste Aufgabe des Ausschusses bestand darin, sich einen möglichst genauen Überblick über die gegenwärtige Struktur der Gemeindearbeit zu verschaffen und herauszufinden, was den Gemeindegliedern und Mitarbeiterinnen besonders wichtig ist.

„Wünsche an eine gute Lösung“
Über eine Umfrage im Gemeindebrief und gezielte Fragen an verschiedene Gremien und
Interessengruppen der Gemeinde haben wir die Wünsche der Gemeindeglieder erfragt
und umfangreiche Rückmeldung erhalten. Diese im SK-Prinzip „Wünsche an eine gute Lösung“ genannten Anliegen hat der Strukturausschuss im nächsten Schritt berücksichtigt.


Nun ging es darum, konkrete Vorschläge zu erarbeiten, wie die Arbeit der Pastor*innen
in Zukunft organisiert werden kann. Hier kamen die Stärken des SK-Prinzip am
deutlichsten zum Tragen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, in alle halbwegs
realistischen Richtungen zu denken und verschiedene Vorschläge konkret und detailliert
auszuarbeiten. So sind insgesamt acht mögliche Szenarien für die künftige Struktur
unserer Kirchengemeinde entstanden.


Da es beim SK nicht nötig ist, sich auf eine bestimmte Anzahl von Vorschlägen zu
beschränken, konnte der Prozess sehr lange offen gestaltet werden. Dieses offene Denken
war für einige zunächst ungewohnt, da die sonst übliche Logik durchbrochen wird, die
eigenen Interessen gegenüber anderen durchzusetzen. Es ist nicht nötig oder auch nur
hilfreich, andere Vorschläge schlecht zu machen, weil ohnehin alle Vorschläge lange Teil
des Prozesses bleiben.

Verbesserung anstatt Energie in Verhinderung
Nach unserer Erfahrung wird dadurch das konstruktiv-kreative Denken erheblich
gefördert. Die Ausschussmitglieder haben gemeinsam an der Verbesserung aller
Vorschläge gearbeitet haben, statt ihre Energie in die Verhinderung der ihnen
unangenehmen zu stecken. Hier wird sehr deutlich, dass SK als Lösungsprozess angelegt
ist und nicht nur in einer alternativen Abstimmungsmethode besteht.


Durch das lange Nebeneinander verschiedener Vorschläge haben sich die verschiedenen
Szenarien auch gegenseitig ergänzt. So haben wir teilweise erst recht spät im Prozess
einzelne starke Aspekte an zunächst abwegig erscheinenden Vorschlägen erkannt, die
dann in andere eingearbeitet werden konnten.


Auf einer zweitägigen Klausurtagung wurden die acht erarbeiteten Vorschläge dem
gesamten Kirchenrat vorgestellt. Die grafische Aufarbeitung der Vorschläge und die
Vorbereitung und Moderation der Klausurtagung wurden von Adela Mahling und Markus
Rossmann von den Konsenslotsen professionell geleistet. Diese externe Moderation war
für uns unabdingbar, damit die Vorschläge unbefangen vorgestellt werden konnten.
Auf der Klausurtagung wurde zunächst an allen Vorschlägen weitergearbeitet. Im Laufe
der Arbeit zeigten sich deutlich die Stärken und Schwächen der verschiedenen Szenarien.
Außerdem taten sich neue Kombinations- und Kompromissmöglichkeiten zwischen
einzelnen Vorschlägen auf, die berücksichtigt wurden. Am Ende der Klausurtagung
blieben drei Vorschläge übrig, die alle bereits eine Zustimmung von über 50% erhalten
hatten.

Widerstände im Vorfeld aufspüren
In einer weiteren Sitzung prüfte der Strukturausschuss weitere Verbesserungsmöglichkeiten. Die wiederum verbesserten Vorschläge wurden schließlich dem Kirchenrat zum Konsensieren vorgelegt und es wurde eine Zustimmung von knapp 80% zu dem letztlich angenommenen Vorschlag erreicht.
Der Kirchenrat hat damit eine Lösung der Aufgabe erreicht, die sehr vielen der zuvor
geäußerten Wünschen und Bedenken Rechnung trägt und die von einer breiten Mehrheit
befürwortet wird.


Durch das SK-Prinzip war es möglich, viele Widerstände bereits im Vorfeld aufzuspüren
und teilweise auszuräumen. Dadurch ist nicht nur der angenommene Vorschlag besser
und tragfähiger geworden, es konnte durch die breite Beteiligung und offene
Kommunikation auch verhindert werden, dass bestehende Gräben vertieft und neue
aufgebrochen werden. Die Kommunikation im Prozess war deutlich von dem Wunsch
geprägt, die bestmögliche Lösung für die Gemeinde zu erarbeiten.


Dennoch ist das SK-Prinzip sicher kein Allheilmittel. Auch zu dem angenommenen
Vorschlag gibt es bei einigen Kirchenratsmitgliedern noch deutliche Bedenken und
Befürchtungen im Hinblick auf die Umsetzung und die praktischen Konsequenzen. SK ist
nicht in der Lage, Unvereinbares miteinander zu vereinbaren, aber es zeigen sich im
Prozess manchmal Möglichkeiten der Kombination, die vorher nicht sichtbar waren. Für
uns ist der größte Gewinn im Hinblick auf die weitere Arbeit der Gemeinde: Alle Mitglieder
des KR sind bereit, weiter konstruktiv an der Umsetzung mitzuarbeiten. Das ist sicher
nicht selbstverständlich und der großen Transparenz und Offenheit geschuldet, die bei
einem SK-Prozess zwangsläufig gegeben ist.


Wichtig ist nach unserer Erfahrung, die Methode gut einzuführen und den Prozess
möglichst professionell begleiten zu lassen. Es lohnt sich, hier Zeit und auch Geld zu
investieren. Zumal sich das SK später auch für weniger umfangreiche aber ebenfalls
komplexe Entscheidungsfindungen nutzen lässt. Unser Kirchenrat hat inzwischen bei zwei
weiteren Problemen, die über eine simple Zweier-Alternative hinausgingen, SK als
Methode eingesetzt und ist zu breit akzeptierten Lösungen gekommen.